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Psychologie beim Anlegen. Interview zum Thema Behavioral Finance

Dr. Christian Kurz 26. September 2019 4 Min. Lesedauer

Interview mit Dr. Christian Kurz zum Thema Behavioral Finance.

  1. Herr Kurz, Sie beschäftigen sich im Fachbereich Behavioral Finance mit der Psychologie der Anleger. Wie nutzen Sie die wissenschaftlichen Erkenntnisse dieser relativ jungen Forschung und was ist dabei für private Anleger von besonderer Bedeutung?

Wir Menschen agieren nicht immer rational. Vielmehr begehen wir Denkfehler, verwenden unbewusst Heuristiken (Faustregeln) und unterliegen sogenannten Verzerrungen (Bias). Gerade für Anleger können diese Verhaltensmuster schwerwiegende Auswirkungen haben. Durch gezieltes „Verhaltenscoaching“ und das bewusst machen der einzelnen Denkfehler, lassen sich die negativen Auswirkungen für die Anleger reduzieren.

  1. Gibt es klassische Anlegercharaktere, die Sie beschreiben können?

Aus meiner Sicht gibt es keine klassischen Anlegercharaktere. Gleichwohl ist zu beobachten, dass viele Anleger sehr stark von ihren Emotionen und ihren persönlichen Hintergründen (Herkunft, persönliche Prägungen) beeinflusst werden. Allerdings sollten gerade bei der Kapitalanlage, die eigenen Emotionen und die persönlichen Befindlichkeiten komplett ausgeschaltet werden.

  1. Die meisten Menschen bevorzugen, wenn Ihnen Alternativen zur Verfügung stehen, die Variante mit dem geringeren Risiko, auch wenn der erwartete Nutzen kleiner ist. Was bewegt die Menschen dazu, ihr Risikoverhalten zu überdenken? Beispielsweise ist bekannt, dass sehr viele Schweizerinnen und Schweizer einen grossen Teil ihrer Spargelder immer noch auf dem zinslosen Konto darben lassen, statt es langfristig anzulegen. Woher kommt das?

Menschen reagieren auf Verluste sensibler als auf Gewinne. Dies wird als Verlustaversion bezeichnet. So ist empirisch zu beobachten, dass Verluste gegenüber Gewinnen gleicher Höhe stärker gewichtet werden. Erfolgt der Vergleich kleiner Gewinne mit kleinen Verlusten, so lässt sich feststellen, dass den Verlusten ein doppelt so hoher Wert beigemessen wird.

Gerade die Spargelder werden von Anlegern häufig als vermeintlich sicher und frei von Risiken betrachtet. Die Renditeerwartung spielt eine untergeordnete Rolle.

  1. Was sind die typischen "psychologischen" Fallen, in die Anleger gerne tappen?

Typische Fallen, sind die „Selektive Wahrnehmung“, die „Selbstüberschätzung“ und der „Hindsight Bias“.

Unter der selektiven Wahrnehmung ist das Phänomen zu verstehen, wonach Menschen nicht sämtliche zur Verfügung stehenden Informationen im Entscheidungsprozess berücksichtigen. Stattdessen werden Informationen lediglich selektiv wahrgenommen.

Der Overconfidence Bias (übermässiges Selbstvertrauen) beschreibt die Tatsache, wonach Entscheidungsträger ihre eigenen Fähigkeiten systematisch überschätzen und somit übermässig selbstbewusst sind. Dadurch kann die Erwartungsbildung und das Urteilsvermögen des Anlegers beeinflusst und verzerrt werden.

Unter dem Hindsight Bias, wird die menschliche Tendenz verstanden, im Nachhinein die Eintrittswahrscheinlichkeit von Ereignissen anders zu beurteilen, als dies vor dem Eintreffen des Ereignisses der Fall gewesen ist. So wird im Nachhinein behauptet, den Ausgang eines Ereignisses, genau wie letztlich passiert, prognostiziert zu haben. Im Nachhinein sind wir alle schlauer!

  1. Was ist Ihre Message, um Leute zum Anlegen zu bewegen?

Um das Anlegen langfristig erfolgreich zu gestalten, ist ein strukturiertes und wohl überlegtes Vorgehen unabdingbar. Es gilt die passende Anlagestrategie zu definieren und den überlegten Plan langfristig umzusetzen. So lassen sich die einzelnen Heuristiken und Verzerrungen bestmöglich adressieren und verhindern.

 

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