Ausblick ins 2020 von Mario Geniale – Anlagechef der Bank CIC
Wer nicht zu viel erwartet, wird ein gutes Anlagejahr erleben.
Nach dem fulminanten Aktienjahr 2019 müssen wir unsere Erwartungen dämpfen. Wir erwarten im Schnitt einstellige Performancezahlen.
"Die Bewertungen der Aktien sind gestiegen und es gibt weniger Potential nach oben"
Nächstes Jahr ist in den USA Wahljahr und Trump wird alles daransetzen, dass die Stimmung an den Märkten positiv bleibt. Die jüngste Einigung im Handelsstreit mit China kann als Beispiel dafür dienen. Trump ist mehr unter Druck als China und braucht zeitnah Erfolgsmeldungen. Aber auch China hat kein Interesse an einer Eskalation, wir erwarten darum immer wieder positive Signale von dieser Front. Gleichzeitig sind die Bewertungen der Aktien gestiegen und es gibt weniger Potential nach oben. Das gilt vor allem für US-Aktien, die in den letzten Jahren mit Abstand am meisten an Wert zugelegt haben. Dagegen weisen europäische Aktien eine deutlich tiefere Bewertung auf und könnten nun, nachdem der Brexit ein für alle Mal ausgemacht ist, ihr Aufholpotential mindestens zum Teil materialisieren. Generell weisen fast alle nicht US-Aktien eine Bewertungslücke gegenüber US-Aktien auf. Der breite S&P 500 hat seit 2010 mehr als 180% an Wert zugelegt, während Aktien aus Industrie- und Entwicklungsländern im Vergleich lediglich knapp 20% teurer geworden sind*.
"Ich sehe gegenwärtig keine Chance auf eine Normalisierung der Zinssituation"
Ich sehe gegenwärtig keine Chance auf eine Normalisierung der Zinssituation. Das heisst auch, die Negativzinsen in der Schweiz und Europa werden uns noch lange begleiten. In den USA sehe ich eine Zinssenkung durch die Fed im neuen Jahr als realistisch an, gleichzeitig erwarten wir weitere Liquiditätsprogramme, um die Wirtschaft bei Laune zu halten. All diese Massnahmen werden den Wert des Dollars drücken und wir rechnen mit einer Abschwächung der amerikanischen Valuta. Dies wiederum wirkt sich positiv auf den Goldpreis aus, für den wir eine positive Erwartung haben. Während Obligationen zusehends unattraktiv werden, erfüllt Gold im Portfolio die stabilisierende Rolle und dient gleichzeitig als Back-up im Falle einer Aktienkorrektur. Verschiedene Nationalbanken sind seit geraumer Zeit daran ihre Goldbestände auszubauen und auch wir vertreten die Meinung, das Gold auf jeden Fall übergewichtet sein sollte. Wir erachten einen Preis von USD 1'600 mittelfristig als realistisch.
Immobilien haben sich in der Schweiz weiter verteuert, wobei insbesondere in den zweitklassigen Standorten die Zeichen sich mehren, dass mehr gebaut wird als verkauft werden kann. Insbesondere institutionelle Investoren haben in den letzten Jahren für eine sehr starke Bautätigkeit gesorgt. Die Preise für Wohneigentum haben ihren Zenit fast erreicht, wir sehen hier ein limitiertes Potential nach oben. Es bleiben die Mieteinnahmen, die im Vergleich mit festverzinslichen Schuldpapieren noch immer halbwegs attraktiv sind bei plus/minus 3%-Bruttorendite. Insgesamt sind wir neutral eingestellt.
Neben den vielen schwelenden Handelskonflikten gibt es eine Vielzahl geopolitischer Spannungsfelder und einen nach wie vor unkalkulierbaren US-Präsidenten, die für Unruhe an den Märkten sorgen können. Darüber hinaus ist die Schuldensituation in den USA nicht was man als vertrauenserweckend bezeichnen könnte, das gilt sowohl für die Staats- und Unternehmensschulden als auch für Privatschulden. Die jüngste Zuspitzung der Krise am amerikanischen Repo-Markt für kurzfristige Finanzierungen kann als ernstes Zeichen verstanden werden, dass die Schuldensituation schneller aus den Fugen geraten kann, als es in der laufenden Konjunktur wahrgenommen wird.
*MSCI ACWI ex. USA
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